In der dreizehnten Episode vom Elektroauto Supertest vom 16. März 2022 auf dem YouTube-Kanal von auto motor und sport hat Alex Bloch den Kia EV 6 einem umfassenden Supertest unterzogen.
Der Elektroauto-Markt wächst rasant, und Kia mischt mit dem EV6 kräftig mit. Als sportlicherer Ableger des Hyundai Ioniq 5 verspricht der EV6 eine aufregende Fahrdynamik gepaart mit zukunftsweisender Technologie. Doch kann er dieses Versprechen auch einlösen?
- Design und Raumangebot: Sportlich-elegante Linienführung trifft auf Zweckmäßigkeit
- Antrieb und Fahrleistungen: Kraftvoller Sprinter mit Allradantrieb
- Fahrdynamik: Sportlicher, aber nicht kompromisslos
- Reichweite und Ladeleistung: Stark auf dem Papier, mit Schwächen in der Praxis
- Effizienz: Guter Durchschnitt, aber kein Klassenprimus
- Bedienung und Infotainment: Gelungener Mix aus digital und analog
- Assistenzsysteme: Gut ausgestattet, aber nicht perfekt
- Fazit: Sportlicher Stromer mit Potenzial nach oben
- AMS YouTube Video zu dem Kia EV6
Design und Raumangebot: Sportlich-elegante Linienführung trifft auf Zweckmäßigkeit
Auf den ersten Blick beeindruckt der Kia EV6 mit seiner dynamischen Silhouette. Die flach stehende Frontscheibe und das coupéartig abfallende Heck verleihen ihm eine sportliche Note, die ihn deutlich vom eher konservativen Design des Hyundai Ioniq 5 abhebt. Doch die schicke Optik hat ihren Preis: Das Raumangebot fällt im Vergleich zum Konzernbruder etwas knapper aus.
Im Innenraum empfängt den Fahrer eine hochwertige Atmosphäre. Edle Materialien wie Leder und Metallapplikationen dominieren das Cockpit. Die Verarbeitungsqualität ist größtenteils tadellos, wenngleich einige wenige harte Kunststoffe an versteckten Stellen zu finden sind. Der Kofferraum fasst 490 Liter, was für die meisten Alltagssituationen ausreichen dürfte. Klappt man die Rücksitzlehnen um, wächst das Volumen auf beachtliche 1.300 Liter.
Während die Frontpassagiere über ein luftiges Raumgefühl und viel Beinfreiheit verfügen, müssen sich großgewachsene Fondpassagiere etwas einschränken. Die abfallende Dachlinie kostet hier wertvolle Zentimeter. Trotzdem reicht es in der Summe noch für vier Sterne im Kapitel Raumangebot – ein guter, wenn auch nicht herausragender Wert.
Antrieb und Fahrleistungen: Kraftvoller Sprinter mit Allradantrieb
Unter dem Blech steckt modernste Elektrotechnik. Zwei Elektromotoren – einer an der Vorder- und einer an der Hinterachse – sorgen für kraftvollen Vortrieb und Allradantrieb. Die Systemleistung beträgt stattliche 325 PS (239 kW), das maximale Drehmoment liegt bei üppigen 605 Nm.
Diese Kraftentfaltung macht sich in beeindruckenden Fahrleistungen bemerkbar. Im Test beschleunigte der gut zwei Tonnen schwere EV6 in nur 5,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h – ein Wert, der so manchen Sportwagen alt aussehen lässt. Dabei überzeugt der Antrieb mit butterweicher Kraftentfaltung und spontaner Gasannahme.
Auch bei höheren Geschwindigkeiten zeigt sich der EV6 souverän. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 192 km/h elektronisch abgeregelt, was für die meisten Alltagssituationen mehr als ausreichend sein dürfte.
Fahrdynamik: Sportlicher, aber nicht kompromisslos
Kia hat dem EV6 im Vergleich zum Ioniq 5 ein deutlich strafferes Fahrwerk spendiert. Das macht sich in einer agileren Straßenlage bemerkbar. Der tiefe Schwerpunkt und die ausgeklügelte Gewichtsverteilung (48% vorne, 52% hinten) sorgen für ein neutrales Fahrverhalten.
In schnell gefahrenen Kurven neigt der EV6 weniger zum Untersteuern als sein Konzernbruder. Stattdessen lässt er sich präzise einlenken und hält die vorgegebene Linie sauber. Bei beherztem Gasgeben in Kurven macht sich sogar eine leichte Übersteuerneigung bemerkbar – ein Charakterzug, der sportlich orientierten Fahrern gefallen dürfte.
Die Lenkung ist direkt übersetzt und vermittelt ein gutes Gefühl für den Fahrbahnkontakt. Allerdings könnte die Rückmeldung noch etwas präziser sein. Das Bremssystem überzeugt mit guter Dosierbarkeit und kurzen Bremswegen. Auf trockener Fahrbahn steht der EV6 aus 100 km/h nach nur 34,5 Metern – ein exzellenter Wert in dieser Fahrzeugklasse.
Die sportliche Abstimmung hat allerdings ihren Preis: Der Fahrkomfort fällt merklich straffer aus als beim Ioniq 5. Während das für viele Käufer kein Problem darstellen dürfte, könnte es empfindlichere Naturen stören. Hier wäre eventuell ein besserer Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort wünschenswert gewesen.
Reichweite und Ladeleistung: Stark auf dem Papier, mit Schwächen in der Praxis
Der 77,4 kWh große Akku verspricht auf dem Papier eine WLTP-Reichweite von 506 Kilometern. In der Praxis sind mit gemischter Fahrweise eher 380 Kilometer realistisch. Bei konstant 120 km/h sind immerhin noch 345 Kilometer drin – ein ordentlicher Wert für längere Autobahnfahrten.
Ein Highlight des EV6 ist seine theoretische Ladeleistung von bis zu 240 kW. Damit lässt sich der Akku unter idealen Bedingungen in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen. In der Praxis zeigen sich jedoch einige Schwächen: Bei niedrigen Temperaturen sinkt die Ladeleistung deutlich ab. Im Test wurden bei einstelligen Außentemperaturen nur durchschnittlich 142 kW erreicht.
Kia hat auf diese Problematik reagiert und einen speziellen Wintermodus eingeführt. Dieser hält den Akku aktiv auf Temperatur, um schnelleres Laden zu ermöglichen. Allerdings geht dies zu Lasten der Reichweite. Eine perfekte Lösung sieht anders aus.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die rudimentäre Ladeplanung des Navigationssystems. Während andere Hersteller ausgeklügelte Routenplaner mit automatischer Ladeplanung anbieten, muss man beim EV6 noch viel manuell erledigen. Hier besteht definitiv Nachholbedarf.
Effizienz: Guter Durchschnitt, aber kein Klassenprimus
In Sachen Effizienz schlägt sich der Kia EV6 ordentlich, setzt aber keine neuen Maßstäbe. Im Test wurde ein Durchschnittsverbrauch von 20,5 kWh/100 km ermittelt. Das ist etwas weniger als beim Ioniq 5, aber dennoch kein Bestwert in dieser Klasse.
Interessanterweise schneidet der EV6 trotz seiner sportlicheren Auslegung bei konstanten Autobahngeschwindigkeiten sogar etwas besser ab als sein Konzernbruder. Bei 120 km/h liegt der Verbrauch bei 22,5 kWh/100 km, bei 130 km/h sind es 26 kWh/100 km.
Die Aerodynamik spielt hierbei eine wichtige Rolle. Mit einem cw-Wert von 0,28 ist der EV6 recht windschlüpfig unterwegs. Allerdings gibt es noch Optimierungspotenzial: Die großen 20-Zoll-Räder und einige Designelemente wie die nicht funktionalen Lufteinlässe an der Front erhöhen den Luftwiderstand unnötig.
Bedienung und Infotainment: Gelungener Mix aus digital und analog
In Zeiten von Touchscreen-Überflutung und verschwundenen physischen Tasten geht Kia beim EV6 einen erfrischenden Mittelweg. Das Infotainmentsystem basiert zwar auf einem großen Touchscreen, wird aber durch klassische Bedienelemente ergänzt.
Besonders lobenswert ist die separate Klimabedieneinheit mit echten Drehreglern. Auch am Lenkrad finden sich physische Tasten statt Touch-Flächen. Das erhöht die Bedienbarkeit während der Fahrt enorm. Das digitale Kombiinstrument ist übersichtlich gestaltet und lässt sich gut ablesen.
Die Sprachsteuerung funktioniert erstaunlich gut und versteht auch natürliche Befehle wie „Ich muss laden“ oder „Ich muss Pipi“. Das spart Zeit und Nerven bei der Suche nach Ladestationen oder Rastplätzen.
Einziger Wermutstropfen: Die Gestaltung der Menüs wirkt teilweise etwas altbacken. Hier wäre ein moderneres Design wünschenswert. Trotzdem reicht es in der Gesamtbewertung für sehr gute 4,5 von 6 Sternen im Kapitel Bedienung – ein Spitzenwert im Vergleich zu vielen Konkurrenten.
Assistenzsysteme: Gut ausgestattet, aber nicht perfekt
Der Kia EV6 kommt mit einer Vielzahl moderner Assistenzsysteme daher. Dazu gehören ein adaptiver Tempomat mit Stauassistent, Spurhalteassistent, Totwinkelwarner und ein Autobahnassistent der zweiten Generation. Letzterer ermöglicht teilautonomes Fahren auf der Autobahn, indem er Spur und Abstand hält.
In der Praxis funktionieren die Systeme größtenteils zuverlässig. Allerdings zeigen sich bei der Spurhaltung noch kleine Schwächen – hier muss der Fahrer gelegentlich korrigierend eingreifen. Auch die Bedienung des adaptiven Tempomats könnte intuitiver sein.
Ein nützliches Feature ist die automatische Einparkfunktion, die sich per Fernbedienung von außerhalb des Fahrzeugs steuern lässt. In engen Parklücken kann das sehr praktisch sein.
Fazit: Sportlicher Stromer mit Potenzial nach oben
Der Kia EV6 hinterlässt in unserem Test einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits überzeugt er mit sportlichen Fahreigenschaften, flotter Beschleunigung und einem gelungenen Bedienkonzept. Die Verarbeitungsqualität ist größtenteils auf hohem Niveau und das Design sticht positiv aus der Masse hervor.
Andererseits offenbart er einige Schwächen, die in dieser Preisklasse – immerhin kostet der Testwagen über 60.000 Euro – nicht sein dürften. Die Ladeplanung ist unterentwickelt, die Ladeleistung bei kalten Temperaturen enttäuschend und der Komfort könnte besser sein. Auch in Sachen Effizienz setzt der EV6 keine neuen Maßstäbe.
In der Gesamtbewertung reicht es für sehr gute 4 von 6 Sternen. Das ist ein starkes Ergebnis, lässt aber noch Luft nach oben. Mit einigen Verbesserungen könnte der EV6 in Zukunft durchaus zum Klassenprimus aufsteigen.
Für wen eignet sich der Kia EV6? Er ist die richtige Wahl für Käufer, die ein sportlich-dynamisches Elektroauto suchen, das dennoch alltagstauglich ist. Wer maximalen Komfort oder höchste Effizienz sucht, sollte sich eventuell nach Alternativen umsehen. Allen anderen bietet der EV6 ein spannendes Gesamtpaket, das durchaus einen Blick wert ist.
Das aktuelle Elektroauto Supertest Ranking von allen bisherigen Elektroauto Supertests könnt ihr auf der Ranking Seite einsehen und bei Verständnis Fragen euch auch die Bewertungskriterien durchlesen.
AMS YouTube Video zu dem Kia EV6
Bildquellen
- Kia EV6 Rating Snippet: @Kia