In der 30ten Episode vom Elektroauto Supertest vom 20. Dezember 2023 auf dem YouTube-Kanal von auto motor und sport wird der MG 4 einem umfassenden Elektroauto-Supertest unterzogen.
Der chinesische Automobilhersteller MG macht mit seinen Elektrofahrzeugen zunehmend von sich reden. Besonders der MG4 Electric hat es im Oktober 2023 in die Top 5 der meistverkauften Elektroautos in Deutschland geschafft – noch vor dem Tesla Model 3. Doch was steckt wirklich hinter dem Erfolg dieses kompakten Stromers?
- Erste Eindrücke: Ausstattung und Design
- Fahrdynamik und Komfort: Licht und Schatten
- Reichweite und Verbrauch: Noch Luft nach oben
- Laden: Schnell, aber mit Einschränkungen
- Bedienung und Konnektivität: Licht und Schatten
- Sicherheit und Assistenzsysteme: Gut, aber nervös
- Preis-Leistungs-Verhältnis: Ein starkes Argument
- Fazit: Solider Einstand mit Potenzial nach oben
- AMS YouTube Video zu dem MG 4
Erste Eindrücke: Ausstattung und Design
Der getestete MG4 Electric präsentiert sich in der gehobenen „Luxury“-Ausstattungsvariante mit einem 64 kWh großen Akku und einem 150 kW (204 PS) starken Elektromotor. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass MG hier ein vollwertiges Kompaktfahrzeug auf die Räder gestellt hat, das in puncto Ausstattung und Preis durchaus mit etablierten europäischen Wettbewerbern wie dem Opel Astra Electric oder dem VW ID.3 mithalten kann.
Mit einer Länge von nur 4,29 Metern ist der MG4 Electric kompakt und wendig – ideal für den Stadtverkehr. Das Design wirkt modern und dynamisch, ohne dabei zu polarisieren. Im Innenraum dominieren harte Kunststoffe, was in dieser Fahrzeugklasse allerdings nicht unüblich ist. Die Verarbeitungsqualität lässt an einigen Stellen noch zu wünschen übrig, insbesondere bei den Spaltmaßen und der Materialanmutung.
Fahrdynamik und Komfort: Licht und Schatten
Beim Fahren offenbart der MG4 Electric sowohl Stärken als auch Schwächen. Das Fahrwerk ist eher weich abgestimmt, was grundsätzlich für einen guten Komfort sorgt. Allerdings macht sich dies bei dynamischer Fahrweise durch eine gewisse Schwammigkeit bemerkbar. Die Lenkung ist sehr leichtgängig, was das Rangieren in der Stadt erleichtert, aber auf der Landstraße zu wenig Rückmeldung bietet.
Die Sitze sind elektrisch verstellbar, bieten aber nur mäßigen Seitenhalt und eine nicht verstellbare Lordosenstütze. Hier zeigt sich, dass MG noch Optimierungspotenzial hat, um den Komfortansprüchen anspruchsvoller Kunden gerecht zu werden.
Positiv fällt die Beschleunigung auf. In unserem Test sprintete der MG4 Electric in 8,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h – ein respektabler Wert, der auch auf nasser Fahrbahn und mit Winterreifen erreicht wurde. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 160 km/h begrenzt, was für die meisten Alltagssituationen ausreichend sein dürfte.
Besonders beeindruckend ist die Bremsleistung. Mit einem Bremsweg von nur 34,8 Metern aus 100 km/h (gemessen von Auto Motor und Sport auf trockener Fahrbahn) setzt der MG4 Electric Maßstäbe in seiner Klasse. Auch nach mehreren Vollbremsungen zeigte die Bremsanlage keine Ermüdungserscheinungen.
Reichweite und Verbrauch: Noch Luft nach oben
Mit einem nutzbaren Energieinhalt von 64 kWh (brutto 70 kWh) bietet der Akku des MG4 Electric auf dem Papier eine solide Basis für alltagstaugliche Reichweiten. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Stromverbrauch höher ausfällt als bei manchen Konkurrenten.
Im standardisierten Testzyklus ermittelten wir einen Durchschnittsverbrauch von 18,3 kWh/100 km (ohne Ladeverluste). Zum Vergleich: Der Opel Astra Electric kommt hier auf 14,9 kWh/100 km, der VW ID.3 auf 16,3 kWh/100 km. Diese Differenz macht sich in der Praxis durchaus bemerkbar.
Die reale Reichweite im Test betrug 333 Kilometer – ein Wert, der für viele Alltagssituationen ausreichen dürfte, aber hinter den Möglichkeiten des verbauten Akkus zurückbleibt. Auf der Autobahn bei konstant 120 km/h reduziert sich die Reichweite auf 263 Kilometer.
Die Ursache für den erhöhten Verbrauch liegt vermutlich in der Effizienz des Antriebsstrangs. Hier scheint MG noch nicht ganz auf dem neuesten Stand der Technik zu sein. Die Verbrauchskurve deutet darauf hin, dass der Wirkungsgrad besonders bei höheren Geschwindigkeiten abnimmt.
Laden: Schnell, aber mit Einschränkungen
Ein großer Pluspunkt des MG4 Electric ist seine Schnellladefähigkeit. Mit einer maximalen Ladeleistung von 140 kW an der Gleichstrom-Schnellladesäule lädt er deutlich flotter als mancher Konkurrent. Besonders beeindruckend ist, dass diese hohe Ladeleistung bis zu einem Batteriestand von etwa 50% gehalten wird.
In der Praxis bedeutet dies, dass der MG4 Electric für die ersten 100 Kilometer Reichweite nur etwa 9 Minuten an der Schnellladesäule benötigt. Für eine Ladung von 10% auf 80% vergehen rund 35 Minuten – ein sehr guter Wert in dieser Fahrzeugklasse.
Allerdings relativiert sich dieser Vorteil etwas durch den höheren Verbrauch. Betrachtet man die gewonnenen Kilometer pro Lademinute, nähert sich der MG4 Electric wieder seinen Konkurrenten an. Auf einer theoretischen 800-Kilometer-Strecke benötigt er für Ladestopps etwa genauso viel Zeit wie ein Opel Astra Electric oder ein VW ID.3.
Ein Manko ist das fehlende automatische Vorkonditionieren der Batterie vor dem Schnellladen. Zwar gibt es eine manuelle Vorkonditionierungsfunktion, diese muss der Fahrer aber selbst aktivieren.
Bedienung und Konnektivität: Licht und Schatten
Die Bedienung des MG4 Electric hinterlässt einen gemischten Eindruck. Positiv fallen die großen, gut erreichbaren Tasten am Lenkrad und auf der Mittelkonsole auf. Auch das zentrale Touchdisplay ist übersichtlich gestaltet und reagiert zügig auf Eingaben.
Die Klimabedienung erfolgt über separate physische Tasten, was im Alltag sehr praktisch ist. Das digitale Kombiinstrument hinter dem Lenkrad ist gut ablesbar, könnte aber in manchen Darstellungen etwas größere Schriften vertragen.
Kritik gibt es für die Sprachsteuerung, die in unserem Test oft Schwierigkeiten hatte, Befehle korrekt zu verstehen oder umzusetzen. Hier besteht definitiv noch Verbesserungsbedarf.
Ein echtes Manko ist das Fehlen einer integrierten Routenplanung mit Ladestopps. Wer längere Strecken plant, muss auf externe Apps zurückgreifen. Auch die Darstellung von Ladestationen im Navigationssystem ist verbesserungswürdig – teilweise werden falsche Ladeleistungen angezeigt oder aktuelle Schnellladestationen gar nicht erfasst.
Sicherheit und Assistenzsysteme: Gut, aber nervös
Der MG4 Electric kommt mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen daher, darunter ein adaptiver Tempomat, Spurhalteassistent, Querverkehrswarner und mehr. Die Systeme funktionieren grundsätzlich, neigen aber teilweise zu übereifriger Reaktion.
Besonders der Spurhalteassistent greift manchmal zu stark ein, was in bestimmten Situationen sogar kontraproduktiv sein kann. Hier wäre eine feinfühligere Abstimmung wünschenswert.
Positiv zu erwähnen ist die Möglichkeit, die Empfindlichkeit einiger Systeme individuell einzustellen. So können Fahrer die Assistenten an ihre persönlichen Vorlieben anpassen.
Preis-Leistungs-Verhältnis: Ein starkes Argument
Ein großer Pluspunkt des MG4 Electric ist sein attraktiver Preis. Mit einem Einstiegspreis von knapp über 40.000 Euro für die gut ausgestattete Luxury-Variante unterbietet er vergleichbar ausgestattete europäische Konkurrenten deutlich. Zum Vergleich: Ein Opel Astra Electric mit weniger Leistung und kleinerem Akku startet bei über 46.000 Euro.
Dafür bietet der MG4 Electric eine umfangreiche Serienausstattung, die unter anderem elektrisch verstellbare Sitze, ein großes Touchdisplay, zahlreiche Assistenzsysteme und eine Wärmepumpe umfasst. Auch die Garantie von 7 Jahren oder 150.000 Kilometern ist ein starkes Verkaufsargument.
Fazit: Solider Einstand mit Potenzial nach oben
Der MG4 Electric hinterlässt in unserem Test einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits bietet er zu einem attraktiven Preis ein vollwertiges Elektroauto mit guter Ausstattung, flottes Laden und ansprechenden Fahrleistungen. Andererseits offenbart er in einigen Bereichen noch Schwächen, die auf mangelnde Erfahrung des Herstellers hindeuten.
Zu den Stärken zählen definitiv:
- Das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis
- Die hohe Schnellladeleistung
- Die guten Bremswerte
- Die umfangreiche Serienausstattung
Verbesserungspotenzial besteht bei:
- Der Effizienz des Antriebsstrangs und dem damit verbundenen Verbrauch
- Der Verarbeitungsqualität im Innenraum
- Der Abstimmung einiger Assistenzsysteme
- Der Funktionalität des Navigationssystems, insbesondere bei der Routenplanung mit Ladestopps
In der Gesamtbewertung erreicht der MG4 Electric 3,35 von 6 möglichen Sternen im anspruchsvollen Supertest. Damit liegt er zwar hinter etablierten Konkurrenten wie dem Opel Astra Electric (3,6 Sterne), aber auf einem Niveau, das vor wenigen Jahren noch als sehr gut gegolten hätte.
Der MG4 Electric zeigt eindrucksvoll, dass chinesische Hersteller in der Lage sind, konkurrenzfähige Elektroautos für den europäischen Markt zu produzieren. Gleichzeitig wird deutlich, dass in einigen Bereichen noch Entwicklungsarbeit nötig ist, um mit den besten europäischen Modellen gleichzuziehen.
Für preisbewusste Käufer, die ein solides Elektroauto mit guter Ausstattung suchen und bereit sind, kleinere Kompromisse einzugehen, ist der MG4 Electric auf jeden Fall eine interessante Option. Er bietet viel Auto fürs Geld und dürfte im Alltag die meisten Anforderungen problemlos erfüllen.
Technikbegeisterte und Vielfahrer, die Wert auf maximale Effizienz und ausgefeilte Assistenzsysteme legen, finden bei etablierten europäischen Herstellern möglicherweise die passenderen Angebote. Allerdings zu einem deutlich höheren Preis.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich MG und andere chinesische Hersteller in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden. Der MG4 Electric ist ein vielversprechender Auftakt, der das Potenzial für künftige Erfolge erkennen lässt. Wenn es MG gelingt, die identifizierten Schwachstellen in kommenden Modellgenerationen auszumerzen, dürften etablierte Hersteller noch stärker unter Druck geraten.
Für den europäischen Automarkt bedeutet der Eintritt von Marken wie MG in jedem Fall mehr Wettbewerb und eine größere Auswahl für Verbraucher. Das könnte langfristig zu besseren Produkten zu günstigeren Preisen führen – eine Entwicklung, von der letztlich alle Autokäufer profitieren würden.
Das aktuelle Elektroauto Supertest Ranking von allen bisherigen Elektroauto Supertests könnt ihr auf der Ranking Seite einsehen und bei Verständnis Fragen euch auch die Bewertungskriterien durchlesen.
AMS YouTube Video zu dem MG 4
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- MG 4 Rating Snippet Asset: @MG